Resilienz ist ein wichtiger Teil unserer psychischen Grundausstattung. Ohne sie wären wir vermutlich längst ausgestorben. Klasse ist, dass wir lernen können, was uns persönlich stark macht und damit gerüstet sind für die Höhen und Tiefen des Lebens.
Was bedeutet Resilienz?
Die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen.
Resilienz ist unser seelisches Immunsystem
Basis des heutigen Resilienz-Begriffs sind die Langzeit-Untersuchungen eines gesamten Geburtsjahrgangs (1955) auf der hawaiianischen Insel Kauai der Entwicklungspsychologin Emmy Werner. 30% dieser Kinder wuchsen unter extrem schweren Lebensbedingungen auf. Aber nur zwei Drittel von ihnen zeigten auffällige Lern- und Verhaltensstörungen während der Schulzeit und hatten Probleme danach.
Werner untersuchte, warum das so war und hat folgende unterstützende Faktoren gefunden:
- Eine enge emotionale Beziehung zu mindestens einem Familienmitglied gab ein Gefühl von Zuverlässigkeit und Sicherheit.
- Das eigene freundliche und offene Verhalten ermöglichte das Erleben von Akzeptanz und Respekt von anderen Menschen.
- Diese Kinder hatten Unterstützung in der erweiterten Familie, der Schule oder in der Nachbarschaft. Menschen, die sie zu Selbstständigkeit, Vertrauen und Initiative ermutigten.
- Sie erlebten sich als fähig, ihre Probleme selbst zu lösen (Selbstwirksamkeit).
Wir bringen die Basis für unsere psychische Stabilität aus der Kindheit mit. Bedeutet das, dass unser Resilienzniveau fest zementiert ist? Keineswegs. Unser seelisches Immunsystem lässt sich zum Glück trainieren.
Der Begriff Resilienz kommt ursprünglich aus den Ingenieurwissenschaften und bezeichnet die Fähigkeit eines Materials in seine Ausgangsform zurückzugehen (z. B. Gummi) oder ein System, das selbst bei einem Teilausfall noch funktioniert.
Wir sehnen uns alle nach innerer Widerstandsfähigkeit. Die Helden vieler Märchen und Geschichten sind nicht umsonst gute Beispiele für Resilienz:
- Das vernachlässigte Aschenputtel besiegt das Böse und erobert den Prinzen
- Der Waise Oliver Twist überlebt in den Slums und findet eine neue Familie
- Pippi Langstrumpf behauptet sich ohne Eltern in der Welt
- In Emil und die Detektive nimmt es ein Junge mit Dieben auf
- Harry Potter, ein unterdrückter Vollwaise, wird zum Helden
Viele Menschen haben Schreckliches erlebt. Einige zerbrechen daran und andere nicht. Woran liegt das?
Sie alle haben Eigenschaften, die sie seelisch stabilisieren, wie
- Selbstvertrauen
- Den Willen, das eigene Leben zu gestalten
- Die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen
- Die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen
- Lust an der Herausforderung
- Ziele, die das Leben sinnvoll machen
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es hoffnungslose Situationen kaum gibt, solange man sie nicht als solche akzeptiert“, sagte Willy Brandt. Er hat Krieg, Verfolgung und Armut erlebt und war Bundeskanzler, SPD-Vorsitzender und Friedensnobelpreisträger.

Wie kannst du deine Resilienz stärken?
Um unser psychisches Immunsystem effizient zu stärken, solltest du dich so gut wie möglich kennen. Dann kannst du gezielt deine Resilienzfaktoren aufbauen.
Resilienzfaktoren sind Eigenschaften, die uns innere Stärke verleihen, z. B.:
- Realistisches Selbstbild
- Selbstwirksamkeit
- Frustrationstoleranz
- Zuversicht und realistischer Optimismus
- Flexibilität
- Unterstützungsnetzwerke
1. Realistisches Selbstbild
Dein Selbstbild ist die Vorstellung, die du von dir hast. Sie besteht aus deiner Selbstwahrnehmung und dem Fremdbild, das du von außen gespiegelt bekomme. Es umfasst:
- Körper
- Talente, Fähigkeiten, Kenntnisse
- Beziehungen, Freundschaften
- Bedürfnisse, Interessen
- Wünsche, Ziele
- Werte
Wer ein realistisches Selbstbild hat, der ist mit seinen Stärken und Schwächen vertraut und hat sie weitgehend akzeptiert. Das gibt innere Stärke und Selbstvertrauen.
Wir können so Situationen besser einschätzen und achtsam mit unseren Ressourcen umgehen. Es stärkt auch unseren klaren Blick auf andere.
2. Selbstwirksamkeit
ist der Glaube an die eigene Kompetenz. Du hast erfahren , dass du deine Realität durch dein Handeln verändern kannst und hast dir bewiesen, dass du mit den Widrigkeiten des Lebens klarkommst. Wenn du an dich glaubst, kommst du schneller ins Handeln und hältst länger durch.
Selbstwirksamkeit basiert auf vielen positiven Erfahrungen.
3. Frustrationstoleranz
Wie gehst du mit Enttäuschungen, also der Nichterfüllung deiner Wünsche um?
Wir lernen idealerweise als Kinder, dass wir nicht immer das bekommen, was wir wollen. Unsere Eltern begleiten uns dabei und zeigen uns Wege, mit Enttäuschungen umzugehen.
Merkmale geringer Frustrationstoleranz
- Nach Misserfolgen schnell aufgeben
- Unangenehmes aufschieben
- Resignation: Ich fühle mich als Opfer
- Aggressionen nach außen oder nach innen (->Depressionen)
- Unflexibel: Dinge müssen so gemacht werden und nicht anders
- Ungerechtigkeit ist nicht aushaltbar
Merkmale hoher Frustrationstoleranz
- Akzeptanz, dass negative Gefühle aushalten sich für manche Ziele lohnt
- Andere sollen mich gut behandeln, trotzdem toleriere ich manchmal das Gegenteil
- Ich fühle mich meinen Emotionen nicht ausgeliefert: Das sorgt für ausgeglichene Stimmung
- Distanz zu einer Situation schaffen können: Ja, sie ist unangenehm aber nicht lebensbedrohend
- Ungerechtigkeit finde ich nicht gut, kann aber damit leben
4. Zuversicht und realistischer Optimismus
Zuversicht geht für mich einher mit Vertrauen und Zufriedenheit. Wenn du zuversichtlich bist, bist du ziemlich sicher, dass eine Situation gut für dich ausgeht.
Leider werden Pessimisten in unserer Welt eher als seriös und realistisch wahrgenommen.
Optimisten gelten dagegen als weich gespülte Schönredner. Dabei haben es realistische Optimisten leichter, weil sie an ihre Selbstwirksamkeit glauben: Wenn das Glas für mich halb voll statt halb leer ist, gebe ich mir positiven Rückenwind.
Optimismus hat auch andere Nebenwirkungen: Er wirkt sich positiv auf unseren Körper aus: Optimisten spüren weniger Schmerzen und erholen sich schneller von Operationen. Ihre Immunabwehr funktioniert besser.
Wichtig ist – wie überall – die Balance zu wahren und nicht ins Extrem zu gehen. Blinder Optimismus hilft nicht weiter.
5. Flexibilität
Veränderungen werden von deinem natürlichen Sicherheitsbedürfnis als gefährlich eingestuft. Leider besteht das Leben aus stetiger Veränderung und je besser du damit umgehen kannst, desto einfacher wird es. Du verschwendest dann weniger Energie an Dinge, die du nicht ändern kannst.
Das bedeutet nicht, dass du jubeln musst, wenn die Kita plötzlich schließt oder du wegen etwas Unvorhersehbarem den gesamten Tagesablauf umstrukturieren musst.
Flexibilität bedeutet Biegsamkeit. Ein Baum, der sich im Sturm biegt, braucht ein starkes Wurzelwerk. Helfen kann uns in solchen Situationen flexibles Denken und das lässt sich trainieren.
Mach z. B. täglich etwas anders als du es gewohnt bist. Ich ziehe manchmal zwei verschiedene Socken an und erinnere mich so daran, flexibel zu sein. Das hilft, das neuronale Netzwerk im Gehirn zu erweitern, mehr Handlungsalternativen zu sehen und dadurch flexibler zu werden.
6. Unterstützungsnetzwerke
Darunter verstehe ich Netzwerke, bei denen der Austausch von Geld zweitrangig ist. Neben der Familie gibt es eine Vielfalt an staatlichen, lokalen und privaten Unterstützungsmöglichkeiten.
Zuerst musst du überzeugt davon sein, Unterstützung zu verdienen. Dann solltest du dir klar darüber werden, was genau du brauchst und wo du es finden kannst.
Ein soziales Netzwerk bringt Sicherheit und hilft, schwierige Lebenssituationen zu meistern und die Lebensqualität aller Beteiligten zu steigern. Du musst nicht alles alleine stemmen. Folgende Fragen können helfen:
- Was habe ich bereits an Unterstützung?
- Auf wen kann ich mich verlassen?
- Wo sehe ich Defizite und brauche mehr Unterstützung und wie erreiche ich das?
Eltern, besonders Alleinerziehende, könnten, meiner Meinung, nach viel mehr Unterstützung gebrauchen. Deswegen bin ich seit vielen Jahren Patin für eine alleinerziehende Flüchtlingsmutter.

Die Genetik hilft deiner Resilienz
Manche Menschen haben in Sachen Resilienz einen eingebauten Vorteil: Sie besitzen ein Resilienz-Gen: Die lange Variante eines Serotonintransporters (nach Moffit und Caspi).
Das bedeutet nicht automatisch, dass sie ihr psychisches Immunsystem nicht trainieren brauchen. Denn heutzutage weiß man durch die Epigenetik, dass wir während unseres Lebens unser Erbgut laufend verändern. Durch traumatische Ereignisse kann die Resilienz auch bei den stabilsten Persönlichkeiten verloren gehen. Auch Resilienz ist dynamisch.
Es gibt leider kein Abo für Resilienz
Wir straucheln alle ab und zu. Aber Leid, Rückschläge und Verzweiflung beeinträchtigten dich nicht so stark, wenn du immer wieder deine Resilienz stärkst.
Für Kinder ist der allergrößte Schutz, den wir ihnen fürs Leben mitgeben können, eine gute Bindung. Schon eine einzige gute Bindung macht Kinder so stark, dass sie viele andere gefährdende Umstände wettmacht.
Kannst du ein wenig mehr Resilienz vertragen? Ich schenke dir eine Stunde Kennenlerngespräch.
Wie resilient bist du? Hier findest du Links zu Online Tests.
Inspirationen und Übungen zur Stärkung deiner Resilienz findest du in diesem Blogartikel.
Resilienztests
- http://www.resilience-project.eu/uploads/media/self_evaluation_de.pdf (PDF)
- https://www.aok.de/pk/magazin/cms/fileadmin/pk/rheinland-pfalz-saarland/ pdf/fragebogen-resilienz.pdf (PDF)
- https://www.palverlag.de/Belastbarkeits_Test.html
- https://resilienz.at/resilienz-test/
- https://magazin.knappschaft.de/ism-resilienz-test/
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Bilder: Privat und Pixabay
© Inge Schumacher
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