Heute stelle ich Dir Oliver Panzau vor. Oliver ist Familien- und Vätercoach. Er gehört zum Self-Coaching Team, mit dem ich seit letztem Jahr wunderbare Workshops organisiere. Ich habe ihn über seinen spannenden Beruf befragt.

Oliver lebt in einer Patchworkfamilie mit insgesamt fünf Kindern, vier Hunden und vier Katzen. Er lebt worüber er spricht und das auf eine sehr wertschätzende Weise.

Du warst früher als Ingenieur tätig. Wie bist Du Familien- und Vätercoach geworden?

Mit der Trennung von meiner Frau, vor fast 7 Jahren, hat sich mein Leben komplett verändert. Unter anderem mussten wir die Betreuung unserer Kinder neu organisieren. Eine hälftige Aufteilung der Betreuung empfanden wir fair für uns und unsere Kinder und haben uns für ein wöchentliches Wechselmodell entschieden, bei dem unsere Kinder im Wechsel zwischen dem Zuhause der Mama und meinem Zuhause pendeln.

Damit habe ich eine viel größere Verantwortung in der Care-Arbeit übernommen als zuvor. Meine eigenen Erwartungen an meine Vaterrolle in der fast 50-prozentigen Betreuung meiner Kinder und die Erwartungen an mich als Führungskraft passten allerdings nicht mehr zusammen. Ich habe mir jahrelang die Zähne daran ausgebissen, beides unter einen Hut zu bekommen.

Die persönliche Erfahrung der Trennung und meine Weiterentwicklung in der Patchworkfamilie haben dazu geführt, dass ich bewusst die menschlichen Beziehungen in allen Lebensbereichen in den Mittelpunkt gestellt habe.

Das passte nicht mehr zu meinem damaligen Jobprofil – schon gar nicht in der Baubranche. Also habe ich mich, gemeinsam mit meiner Frau, für einen radikalen Umbruch entschieden. Ich wollte ausschließlich den Menschen und ihrer persönlichen Weiterentwicklung in all ihren Beziehungen dienen; sie in einer Art und Weise zu unterstützen, von der ich selbst überzeugt bin und die ich vorlebe. Das war eine sehr emotionale und wirklich gute Entscheidung!

Für mich ist die Kommunikation in meiner 5-köpfigen Familie schon schwierig. Was kommt an Herausforderungen dazu, wenn man in einer Patchworkfamilie lebt?

Die grundsätzlichen Herausforderungen sind ähnlich, da auch in der Patchworkfamilie die Basis das sich liebende Paar bildet. Kompliziert wird es mit den vielen zusätzlichen Beziehungssträngen, den damit verbundenen Rollen und Verantwortungen. Das kann schnell unübersichtlich werden und bedarf der Sortierung, da hier ein großes Potential für Verstrickungen liegt.

Wir müssen uns z.B. darüber einig werden, wie wir die Stief- oder wie ich sie nenne, Bonuskinder, mit erziehen. Schließlich haben die Kinder noch einen leiblichen anderen Elternteil. Aus der ursprünglichen Familie gibt es schon Werte, die weitergelebt werden wollen, die aber im neuen Zusammenleben zu Konflikten führen können.

Wenn aus der neuen Beziehung, wie bei uns, ein gemeinsames Kind dazukommt, ergeben sich daraus eigene gemeinsam gelebte Werte, die anders aussehen können als in der ersten Familie. Nicht zuletzt spielt die Kommunikation zu und vor allem über die leiblichen anderen Elternteile eine wesentliche Rolle im Leben einer Patchworkfamilie. Das führt sehr häufig zu Konflikten zwischen allen Beteiligten.

Du arbeitest in einem Bereich, der mit schwierigen Gefühlen wie Schuld, Scham und Scheitern verbunden ist.

Ich stelle vor allem die Eltern in den Vordergrund meiner Arbeit, da vom Frieden in der Familie alle, vor allem aber die Kinder, profitieren. Die meisten meiner Klienten haben ihre eigene Trennung nicht richtig verarbeitet und bleiben lange mit den von Dir genannten Gefühlen bewusst oder unbewusst verbunden.

Häufig begeben sie sich in eine neue Partnerschaft, gründen also eine Patchworkfamilie, in der Hoffnung, dass so die heile Familienwelt wieder hergestellt wird. Würde das so einfach funktionieren, hätte ich keine Klienten.

Die Komplexität der vielen vorher beschriebenen Beziehungsebenen wird dabei leider unterschätzt. Das ist oft der Grund dafür, dass es mehr Probleme als vorher gibt. Deswegen sind, laut Statistik, Trennungen in Patchworkfamilien noch häufiger als in herkömmlichen Familien.

Außerdem geht die Rechnung „Neue Liebe, Neues Glück“ nur dann auf, wenn ich mir der eigenen Anteile an den Problemen, die zur Trennung führten, bewusst werde. Diese gilt es zu beleuchten.

Mit Hilfe von ausführlichen wertschätzenden Gesprächen und Aufstellungsarbeit erarbeite ich mit den Klienten ein Verständnis für ihre Situation und den Ursprung für ihre Probleme.

Mit neuem Blick auf die festgefahrene Situation finden wir gemeinsam Lösungen, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Diese Ziele können z.B. die Verbesserung der Beziehung zu den eigenen Kindern oder der Ex-Frau bis hin zu einem Leben raus dem Hamsterrad umfassen.

Letztendlich wünschen sich meine Klienten ein glückliches Leben in allen Lebensbereichen. So arbeiten wir daran, alte Familienwerte loszulassen und neue Familienmodelle kennenzulernen. Es geht in erster Linie darum, Veränderungen zuzulassen:

  • Das Loslassen des Alten, das nicht mehr zielführend ist.
  • Das Sich Öffnen für Neues

 Deswegen empfehle ich meinen Klienten mindestens 8 Wochen Begleitung.

Arbeitest Du ausschließlich mit Männern zusammen?

Die meisten Frauen schätzen meine Arbeit mit ihren Männern sehr, da sich Männer leider immer noch zu selten in der Partnerschaft öffnen. Sie freuen sich, dass ich mit meiner Arbeit einen Beitrag zur mentalen Gesundheit der Männer leiste.

Ich ziehe allerdings aufgrund meiner persönlichen Erfahrung und eigenen Identität vor allem Väter an. Es kommen auch einige Frauen zu mir, aber 90 Prozent meiner Klienten sind männlich. Das freut mich sehr!

Wie begreifst Du Deine eigene Vaterrolle?

Die Vaterrolle ist für mich von immenser Bedeutung, da ich selbst ohne Vater aufgewachsen bin. Das Bewusstsein meiner Vaterrolle hat sich mit der Trennung neu weiterentwickelt. Unter anderem habe ich nach 43 Jahren nicht nur Kontakt zu meinem Vater aufgebaut, sondern sogar eine sehr herzliche Beziehung zu ihm aufgebaut.

Eine Trennung bzw. eine Patchworkfamilie ist ein wunderbares Übungsfeld für persönliche Entwicklung. Ich liebe es, Vater zu sein und mich persönlich weiterzuentwickeln und anzuerkennen, dass ich nicht perfekt sein muss. Ich darf Fehler machen und daraus lernen. Idealerweise spreche ich mit meiner Frau darüber, damit wir uns nicht nur als Individuen, sondern auch als Paar weiterentwickeln können.

Wie wichtig ist Bewusstsein und sich selbst kennen in Deiner Arbeit?

In meiner Arbeit als Coach ist es von Vorteil, die Erfahrungen meiner Klienten nicht nur nachvollziehen zu können, sondern auch selbst erlebt und gefühlt zu haben und so eine echte Verbindung herstellen zu können. Genauso hilfreich ist es, dass ich den Weg, den sie noch vor sich haben, kenne und beschritten habe.

Für den Klienten bzw. alle Menschen ist es wichtig, die eigenen blinden Flecken und Trigger aus der Vergangenheit kennenzulernen, weil sie in der Regel das Handeln im Hier und Jetzt so beeinflussen, dass sie sich gefangen fühlen, ohne zu wissen, wo dieses Gefühl herkommt.

Wenn der Klient in dem Coaching Prozess selbst versteht und fühlt, wo diese Emotionen und Erfahrungen herkommen, kann das zu einem Aha-Effekt führen, weil er merkt, dass er die Vergangenheit nicht ändern, sondern nur annehmen kann.  Der Klient übernimmt so in der Gegenwart Verantwortung und kommt ins Handeln.

Sich selbst kennenzulernen, zu verstehen und anzunehmen schafft Dankbarkeit, inneren Frieden und fördert den Weg zu mehr Selbstliebe. Wenn ich mich selbst lieben kann, kann ich auch andere lieben. Und letzten Endes sehnen wir uns alle nach Liebe und glücklichen, erfüllten Beziehungen.

Ich bin wahnsinnig dankbar, dass ich Menschen auf diesem Weg begleiten darf.

Hier kannst Du Oliver Panzau treffen:

Oliver Panzaus Tipps

Ich schätze die Arbeit von folgenden Kolleginnen und empfehle ihre Arbeit und Literatur zu den Thema Trennung mit Kind gerne weiter:

Bücher:

  • Marianne Nolde: Eltern bleiben nach der Trennung
  • Ute Steffens: Mit Kindern durch die Trennung
  • Dorothea Behrmann – Trennungscoach und Autorin Die 7 Phasen des Loslassens

Hilfe speziell für Patchworkfamilien gibt es immer noch zu wenig. Das liegt auch daran, dass diese Familienmodelle rein statistisch schlecht erfasst werden können. Mit ihren Anliegen können Betroffene aber auch zu Familientherapeuten oder zu Familienzentren in ihrer Gemeinde gehen. Ich empfehle folgende Kolleginnen:

  • Katharina Grünewald – Familientherapeutin, Autorin und Podcasterin; Bücher: Glückliche Patchworkpaare, Glückliche Stiefmutter
  • Yvonne Dewies – Heilpraktikerin, Patchworkexpertin, Podcasterin
  • Marita Strubelt – Familiencoach und Autorin; Buch: Patchwork Power!