Wir haben als Eltern und als Menschen, die mit Kindern umgehen, einen wichtigen Auftrag: Ihnen das Handwerkszeug mitzugeben, damit sie selbst ihre Herausforderungen meistern können.

Kinder unterstützen zu wachsen

Ich nehme dich in diesem Artikel mit in meine Familie und teile meine Überlegungen, wie wir die nächste Generation unterstützen können. Ich bin mir bewusst, dass es nicht den einen richtigen Weg um Kinder beim Er-wachsen-werden zu begleiten gibt.

Das Wichtigste, was ich meinen Kindern mitgeben möchte, ist: Sich selbst zu vertrauen. Jedes Kind hat seine eigene Persönlichkeit. Einige Menschen sind von Natur aus stabiler als andere. Wir alle brauchen Unterstützung dabei, unseren eigenen Weg zu finden und zu gehen.

Unsere Welt verändert sich schnell

Wir vererben der nächsten Generation einen Innovationsstau. Zum Beispiel den Klimawandel. Um diese Herausforderungen anzugehen, brauchen wir mutige Menschen, die Neues ausprobieren und Fehlversuche aushalten. Neue Lösungen finden und kreatives Denken passieren nicht einfach. Das muss geübt werden.

Wir brauchen viel mehr mutige

  • Neudenker
  • Erfinder
  • Um die Ecke-Denker
  • Lösungsfinder
  • Pragmatiker
  • Abenteurer

Was bedeutet Mut für mich?

Unter Mut verstehe ich die Bereitschaft Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen.

Die Herausforderung für uns Eltern

Wir sind genauso unvorbereitet Eltern geworden wie alle anderen auch. Wir sind ins kalte Wasser gesprungen und haben on the job gelernt.

Meine Mutter ist bei meiner Taufe 25 und ihre Mutter 56 Jahre alt.

Unsere Vorbilder

Die im Krieg geborenen – meine Eltern – bekamen von ihren Eltern vorgelebt zu überleben mit massiven Traumen.

Das hat sie geprägt. Meine Mutter war mit vier Kindern allein zu Hause, weit weg von jeder Hilfe. Mein Vater machte Karriere und hat auch bis zur Erschöpfung gearbeitet. Beide haben das Beste gegeben, um uns Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Meine Eltern sind damit groß geworden, dass Kinder nicht wissen, was gut für sie ist. Sie selbst wurden nicht als vollwertige Menschen behandelt. Das ist heute anders.

Wir nehmen unsere Kinder ernst

Meine Kinder wissen oft ziemlich genau, was gut für sie ist und was nicht. Wir fragen sie immer danach, wenn sie Entscheidungen treffen müssen. Unser Ziel ist, dass sie lernen, sich ihrer selbst bewusst zu sein. Sie sollen ihre Gefühle und Grenzen wahrnehmen können. So können sie ihre Talente finden und nutzen. Wir leben ihnen das vor.

Bis wohin geben wir unsere Kinder frei?

Ich kenne viele Eltern, die sich super um ihre Kinder kümmern. Sie unterstützen sie darin, sich zu entfalten. Wenn die Kinder über diesen Spielraum nutzen und sich ausprobieren, gibt es aber oft Ärger: Es stellt sich heraus, dass Entfaltung nur in dem engen Bereich erlaubt ist, den die Eltern als gut empfinden, weil sie ihn kennen.

Hier dürfen wir alle an uns arbeiten. Wenn unsere Kinder Neues und Unbekanntes ausprobieren, ruft das bei uns Eltern Angst hervor und das überträgt sich wieder auf die Kinder. Wir engen sie da vielleicht zu sehr ein. Deswegen sind viele von ihnen auf sich allein gestellt weniger lebensfähig als in früheren Generationen.

Viele Jugendliche sind nicht geübt darin, sich selbst eine Struktur zu geben. Sie haben nicht gelernt, selbständig zu denken und zu handeln. Die Schulen bereiten darauf nicht vor. Sie sind es oft nicht gewohnt, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen.

Beispiel: Depressionen bei jungen Erwachsenen

Junge Erwachsene scheitern oft an lebenspraktischen Fragen. Der Auszug aus dem Elternhaus, der Start ins Studium oder die Ausbildung sind Ausnahmesituationen, denen viele nicht gewachsen sind.

Will ich meinen Kindern das nötige Werkzeug mitgeben, befinde ich mich in einer Gratwanderung zwischen Unterstützen und Loslassen, Akzeptieren und Kritisieren. Es gilt immer wieder die Grenzen auszuloten, wann ich eingreife und wann nicht.

Mache ich alles richtig? Natürlich nicht. Ich versuche es eben, so gut wie ich kann.

Wir sind selbst Vorbilder

Ich bin nicht nur für meine Kinder ein Vorbild.

Beispiel: Meine Flüchtlingsfreundin

Seit drei Jahren bin ich Mentorin einer alleinerziehenden Frau aus Nigeria.

Evelyn ist 34 Jahre alt. Ihre Tochter ist 6. Mir war nicht bewusst, dass ich auch für sie Vorbildfunktion habe. Sie meinte kürzlich, dass sie es toll findet, wie viel Freiheit mir mein Mann gibt. Sie will das für sich in einer Partnerschaft auch. Was für mich selbstverständlich ist, sieht Evelyn in ihrem Kulturkreis also anders.

Ich unterstütze ihre Selbständigkeit und verstehe mich als ihr Auffangnetz. Wenn sie mich braucht, dann bin ich für sie da. Auch sie begleite ich beim Wachsen.

Herausforderungen meistern lernen

Wir können unseren Kindern die Fähigkeiten, die sie brauchen ,am besten durchs Vormachen beibringen.

Wenn sie uns in Ausnahmesituationen erleben und sehen, wie wir damit umgehen, lernen sie, dass Schwierigkeiten nicht das Ende der Welt sind. Meine Kinder wissen, dass es immer irgendeine Lösung gibt und es manchmal Zeit braucht sie zu finden. Fehler machen inklusive. Sie lernen auch, dass sich Hilfe holen eine gute Idee ist.

Reden nützt wenig. Unsere Kinder müssen sich selbst ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Dazu brauchen sie Raum und Übungsmöglichkeiten.

Kinder einbeziehen

Meine Kinder merken, wenn es mir nicht gut geht. Ihre Reaktion ist, die Ursache bei sich zu suchen. Das will ich nicht.

Deswegen beziehen wir unsere Kinder ein: von tödlichen Krankheiten in der Verwandtschaft bis zu den großen Weltproblemen.

Sie entscheiden selber, wie viel sie mitbekommen. Meine Mittlere ist zum Beispiel viel interessierter als meine Älteste. Die zieht sich bei solchen Gesprächen eher zurück, weil es ihr zu viel wird. Das ist okay. Sie beachtet ihre Grenzen.

Sich selbst kennen und verstehen lernen

Wir versuchen, den Kindern wirklich zuzuhören. Auch dadurch lernen sie, sich klar zu werden, was in ihnen vorgeht.

Meine Kinder haben, vielleicht auch deswegen, einen großen Vorsprung, was zwischenmenschliches Verstehen angeht. Das liegt zum einen daran, dass sie dabei sind zu begreifen, wie sie selbst ticken. Aber sicher auch daran, dass sie empathische Menschen sind.

Was ich meinen Kindern mitgeben will

1. Zu sich stehen

Unsere Kinder sollen lernen, Grenzen zu setzen. Das fällt ihnen leichter, wenn sie wissen ,was ihnen guttut. Meine Großen entscheiden sich dagegen, mit ihrer Clique feiern zu gehen, wenn sie sich nicht danach fühlen. Auch wenn ihre Freunde sie anpflaumen, bleiben sie dabei. Das zeigt mir, dass sie zu sich stehen können. Was ich sehr beruhigend finde.

2. Problemlösungskompetenz

Mein Anspruch ist: Stell dich dem Problem und laufe nicht weg. Die Erfahrung, dass es im Endeffekt einfacher ist, sich Problemen zu stellen, müssen meine Kinder selbst machen. Dazu muss ich ihnen den Raum geben, sich auch mal zu drücken. Das zuzulassen fällt mir schwer. Bei meinem Sohn habe ich aber gemerkt, dass das der einzige Weg ist ihm nahezubringen wie er mit Schwierigkeiten umgehen kann.

3. Akzeptanz sich und anderen gegenüber

Akzeptanz ist das Schmiermittel der Gesellschaft. Wie schwierig das Leben ohne Akzeptanz ist, erlebten wir in der Corona-Krise. Familien und Freunde verkrachten sich, weil jede Seite auf die Richtigkeit ihrer Ansichten bestand und keine andere akzeptierte.

Ich finde nicht alles gut, was meine Familie macht, ich akzeptiere es aber. Das bedeutet: Ich schätze mein Gegenüber als genauso wichtig ein wie mich. Ich bin nicht besser oder schlechter. Auch meine Kinder sollen eine eigene Meinung haben.

Was mir schwerfällt:

  • Meine Erwartungen zurückzunehmen, wie meine Kinder zu sein haben, was sie tun und lassen
  • Meine Ängste nicht auf meine Kinder zu projizieren
  • Bei mir zu bleiben

Was mir leicht fällt:

Mein Bauchgefühl abzurufen. Das sagt mir, dass alles okay ist. Das beruhigt mich, wenn meine Mama-Ängste mal wieder Überstunden machen.

Wie bereiten wir unsere Kinder auf das Leben vor?

Wenn wir unsere Kinder zu sehr schützen, schwächen wir sie. Überfordern wir sie, dann zerbrechen sie. Wir Eltern, Erzieher und Lehrer stehen vor der Herausforderung,  immer wieder auszutarieren wie viel Freiraum und wie viel Begleitung für jedes Kind richtig ist.

Wir brauchen mehr Menschen, die in sich zu ruhen und fest im Leben stehen, wenn wir die kommenden Herausforderungen meistern wollen. Dazu brauchen sie das nötige Handwerkzeug. Das bekommen sie von uns.

Was sind deine Erfahrungen? Wie bereitest du als Eltern, Erzieher oder Lehrer Kinder auf das Leben vor? Was hat sich bewährt und was nicht?

Hier der Kommentar meiner geschätzten Leserin Carmen:

„Liebe Inge,
Danke für diesen Artikel. Ich erlebe es fast täglich in meiner Arbeit als Logopädin, was du beschreibst:
„ Viele Jugendliche sind nicht geübt darin, sich selbst eine Struktur zu geben. Sie haben nicht gelernt, selbständig zu denken und zu handeln. Die Schulen bereiten darauf nicht vor. Sie sind es oft nicht gewohnt für sich und andere Verantwortung zu übernehmen“.
Und rückblickend auf die vergangenen 10 Jahre wird es gefühlt immer schlimmer.
Ich bin keine Mutter. Dennoch weiß ich um meine Verantwortung in Bezug auf meine Patienten. Und möchte sie in meinem Therapiesetting stärken und sie unterstützen in dieser Welt vorwärtszukommen.
Ich hoffe, dein Artikel erreicht viele LeserInnen.
Viele Grüße Carmen.“

Brauchst du Unterstützung?

Ich helfe dir gerne. Nutze mein kostenloses Kennenlerngespräch.

Dieser Artikel ist in Anna Koschinskis #Blognacht entstanden.

Bilder: Privat

© Inge Schumacher