Island ist mein Lieblingsland. Die saubere Luft und der starke Wind machen es einfach für mich, Ballast loszulassen. Ich kann mich entspannen und in Ruhe die Prioritäten in meinem Leben sortieren. Hier gibt es ein paar Interna zum Schmunzeln. Viel Spaß beim Lesen.

Beruflich  – ich bin Heilpraktikerin und auf geistiges Heilen spezialisiert – wie privat ist Loslassen für mich ein zentrales Thema. You can read this article in English here.

In Island weht der Wind Überflüssiges einfach weg

Jeder Mensch hat Orte an denen er sich besonders wohl fühlt. Der eine fühlt sich zu einer Insel im Mittelmeer hingezogen und der nächste ist Südamerikafan. Zum kurzen Wiederaufladen fahren mein Mann und ich gerne von Hamburg aus an die Ostsee. 3 bis 4 Stunden am Meer sind für uns wie eine Woche Urlaub.

Island ist für meine Familie und mich ein besonderer Wohlfühlort. Hier können wir alle gut loslassen und auftanken. Die Klarheit und Weite der Landschaft unterstützt uns dabei: Einfach da sein genügt. Dieses Mal waren wir zwei Wochen im Norden von Island unterwegs.

Loslassen ist eine andauernde Aufgabe für mich

Wie aktuell das Thema Loslassen ist, zeigte sich schon bei unserer Abreise am Flughafen.

Wir waren spät dran und suchten den Schalter zum Einchecken. Ich schaute meine große Tochter an, die in ihrer leichten Übergangsjacke hinter uns her rannte und mir entgleisten die Gesichtszüge. Sie hatte ihre Winterjacke nicht mit. O je! Es ist Ende April und wir fahren in ein Land, in dem es um diese Zeit noch schneit.

Schon war ich mittendrin im „Mama Worry Modus“. Zuerst habe ich mir die Schuld gegeben, nicht zum 3. Mal gecheckt zu haben, ob sie auch wirklich die richtige Jacke dabei hat. Bei allen anderen Familienmitgliedern habe ich das getan und sogar mit meinem Mann lange über die Vorzüge regenabweisender Kleidung verhandelt.

Erst im Flugzeug habe ich mich wieder beruhigt. Theoretisch weiß ich, dass ich nicht immer für alles in meiner 5-köpfigen Familie die Verantwortung übernehmen kann oder will. Wie man sieht arbeite ich noch an der praktischen Umsetzung.

Als wir am nächsten Tag feststellten, dass die mittlere Tochter die zu kleinen Winterschuhe vom Vorjahr eingepackt hatte, habe ich nur noch gelacht.

Das Jackenproblem der einen Tochter haben wir mit mehreren Schichten Pullovern gelöst. Zum Glück spielte das Wetter mit, so dass die Füße der zweiten Tochter zwar kalt, aber nicht durchweicht wurden.

Hier passt der oft zitierte isländische Spruch Þetta reddast! Das wird schon gut gehen!

Die Isländer sind ein ziemlich entspanntes Volk. Sie sind spontan und sehen Termine eher als lockere Verabredungen. Das sorgt manchmal für Schwierigkeiten z. B. in der Tourismusbranche. Ich weiß, dass deutsche Reiseunternehmen froh sind, wenn sie es auf der isländischen Seite mit zuverlässigen deutschen Auswanderern zu tun haben.

Wir durften in diesem Urlaub auch die positiven Auswirkungen dieser Lockerheit erleben als die Hilfe für unseren platten Reifen schon am selben Abend kam anstatt erst am nächsten Morgen, wie angekündigt. Unser freundlicher Retter meinte, ihm wäre gerade langweilig gewesen.

Die Isländer kochen zwar leckeren Kaffee und ein wenig Lockerheit schaue ich mir gerne bei ihnen ab. Ich halte sie aber nicht für die idealen Vorbilder für das Loslassen, denn die isländische Mentalität ist nicht wirklich kompatibel mit unserer.

Loslassen setzt Energien frei

Wenn wir Dinge loslassen, wird der Platz frei, den diese beanspruchen. Das gilt für Gegenstände genauso wie für nicht Materielles. Das bedeutet nicht nur, dass wir dann mehr Zeit haben, sondern dass wir wieder offen sind für Neues.

Ende 2016 habe ich die Zusammenarbeit mit meiner isländischen Freundin losgelassen. Wir haben zusammen Seminare für Frauen in den Westfjorden von Island angeboten. Als ich mit ihr darüber sprach, war sie froh, dass ich den ersten Schritt gemacht habe. Sie ist jetzt Mitte 60 und möchte es ruhiger angehen lassen.

Ich freue mich schon auf künftige Projekte in Island und lerne weiter Isländisch. In diesem Urlaub konnte ich schon kleine Gespräche mit Einheimischen führen.

Das Joint Venture hat mich anscheinend viel mehr Energie gekostet als mir bewusst war, denn plötzlich kam ich mit meinen Projekten viel schneller voran. 2017 habe ich zwei Blogs gestartet, den englischen über die Märchendimension und diesen hier über meine Arbeit als Heilpraktikerin und Themen aus der Persönlichkeitsentwicklung. Auch habe ich seitdem deutlich mehr nationale und internationale Klienten.

Der Islandurlaub ist für mich ein guter Anlass für eine gründliche Inventur. Abseits vom Alltag nehme ich mir die Zeit anzuschauen was ich momentan so mit mir herumtrage und was ich davon loslassen möchte. Im Alltag bin ich mir oft nicht bewusst was ich so alles festhalte.

Mein 8 jähriger Sohn mit Islandcap vor einem Fjord
Mein 8-Jähriger mit Islandcap

Meine Kinder loszulassen fällt mir oft schwer

Meine älteste Tochter war sehr ängstlich. Beim ersten Gespräch im Kindergarten stellte ich zu meiner großen Erleichterung fest, dass die Erzieher mit mir am gleichen Strang zogen. Wir arbeiteten zusammen daran sie sanft an ihre Grenzen zu führen. So habe ich gelernt, wie hilfreich es ist, einen Teil der elterlichen Verantwortung abzugeben.

Eine andauernde Lernaufgabe ist für mich die Klassensituation meines Jüngsten. Er kam in eine chaotische 1. Klasse mit vielen schwierigen Kindern. Die Schulleitung war nicht in der Lage Abhilfe zu schaffen und ich hatte Sorge, dass mein ruhiges sensibles Kind unter die Räder kam. Zum Glück ging es meinem Sohn in dieser Klasse trotz allem gut, denn die Lehrerin hat es geschafft, ihm ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Sie konnte sich wegen der Klassensituation jedoch nicht so um seine Leseprobleme kümmern, deshalb unterstütze ich ihn, in Absprache mit ihr, so gut es geht zu Hause.

Mein Sohn hat in seiner Klasse wundervolle Freunde gefunden. Ich übe trotzdem immer noch meine Sorgen um ihn loszulassen.

Weg mit den inneren Begrenzungen!

Nur, wenn wir sehr aufmerksam sind gelingt es uns Dinge zu identifizieren, mit denen wir uns unbemerkt selbst begrenzen. Erst wenn wir sie kennen können wir sie loslassen.

Mir wurde das kurz vor meinem 50. Geburtstag klar. Mein Mann fragte mich, was ich am liebsten tun würde, denn ich hatte keine Lust auf eine große Feier. Am liebsten würde ich am Meer picknicken, antwortete ich. Im selben Moment als ich das sagte war da eine innere Stimme, die meinte, das ginge nicht. Im Februar sei es doch viel zu kalt an der Ostsee. Da spürte ich, dass ich auf eine total überflüssige innere Begrenzung gestoßen war. Ich war erschrocken über die Erkenntnis, dass ich mich anscheinend immer noch ständig selbst begrenze.

Mein Mann und ich haben also an meinem Geburtstag bei 4°C am Ostseestrand gepicknickt. Dieses Erlebnis habe ich zum Anlass genommen mein nächstes Lebensjahrzent unter das Motto „Weg mit meinen inneren Begrenzungen“ zu stellen. Seither achte ich viel mehr auf diese leise Stimme und überlege, ob und wann ich ihr folge. Ich habe seitdem schon viele kleinere und größere innere Begrenzungen identifiziert.

Loslassen in meiner Heilpraktiker-Praxis

Bei meiner Arbeit als geistige Heilerin ist Loslassen ein zentrales Thema. Ich helfe meinen Klienten zu verstehen was sie gerade festhalten und warum, damit sie es anschließend  loslassen können. Danach überlegen wir oft gemeinsam, wie alte Muster verändert werden können.

Kurz vor meinem Urlaub bekam ich einen Anruf von einer Klientin, die seit ihrer Behandlung bei mir sehr müde war. Ich konnte feststellen, dass nach der Behandlung  viele Dinge losgelassen hat, die ihr nicht mehr dienten. Warum machte sie das so müde?

Wenn wir Dinge loslassen auf die wir uns lange gestützt haben, fehlen sie uns erst einmal. Es ist so als ob wir aus dem Fundament unseres Hauses einige tragende Steine herausnehmen: Die ganze Konstruktion kann dann vorübergehend etwas instabil werden. Wir brauchen dann mehr Energie, um sowohl das Gleichgewicht zu halten als auch neue Steine einzufügen. Ich habe das schon selbst oft erlebt und man sollte dann gut auf sich aufzupassen und sich nicht überfordern.

Meine Klientin war also so müde, weil sie dabei war, Grundsätzliches loszulassen. Ich habe mich sehr über ihren Anruf gefreut, denn er zeigte mir, dass sie alleine weiter arbeitete. Sie ist auf dem Weg mehr zu dem Menschen zu werden, der sie sein möchte. Für mich gibt es nichts Schöneres als sie dabei zu begleiten.

Regenbogen über dem Dettifoss in Island
Regenbogen über dem Dettifoss

Unseren Autopiloten erkennen

Eingefahrene Gewohnheiten bewirken, dass wir nicht selbst steuern, sondern auf dem Beifahrersitz durch unser Leben gefahren werden. Dieser Autopilotenmodus bringt uns aber nicht unbedingt dahin wo wir hinwollen, sondern dahin wo wir früher hingefahren sind. Ein wenig mehr Bewusstsein im Alltag bringt sehr viel, um die alten eingefahrenen Spuren zu erkennen und neue Wege einzuschlagen. Ich finde dieses Thema so wichtig, dass ich hierzu einen eigenen Blogbeitrag geschrieben habe.

Humor hilft mir beim Loslassen

Was passiert, wenn wir lachen? Heftiges Lachen lockert unseren gesamten Körper. Nicht nur die Gesichtsmuskeln geraten in Bewegung sondern Verspannungen im Bauch und der Muskulatur lösen sich. Ärger und Verkrampfungen haben dann keine Chance mehr sich festzusetzen und wir können sie viel einfacher loslassen.

Gerade in meinem Beruf ist Humor äußerst hilfreich. Mich selbst nicht allzu ernst zu nehmen erdet mich. Mein Humor hilft mir auch dabei, die subjektiven Eindrücke, die ich durch meine Energiearbeit bekomme kritisch zu hinterfragen. In meiner Praxis soll und darf gerne gelacht werden.

Weniger Struktur gibt mir mehr Freiheit

Seit ich das erste Mal in Island war habe ich viel Grundsätzliches in meinem Leben verändert. Früher hat es mir Sicherheit gegeben viel zu planen; ich war die Königin der Listen. Mir ist nach und nach bewusst geworden, dass ich diese Strukturen nicht mehr so brauchte und wie sehr sie mich eingeschränkt haben. Ich sehnte mich nach mehr Kreativität und Spontanität in meinem Leben.

Heute nutze ich Listen und Strukturen bewusster, um meinen Alltag effizient zu gestalten und mir damit Freiräume zu schaffen, die ich mit Kreativität und Überraschungen füllen kann. Seitdem ich meine festen Strukturen gelockert habe, vergesse ich auch mal etwas, was früher sehr selten vorgekommen ist. Es fällt mir heute noch manchmal schwer das zu akzeptieren.

Ich lege meine Ziele jetzt nicht mehr detailliert fest und überlege auch nicht mehr dauernd wie ich sie am besten erreiche. Ich lebe viel mehr im Hier und Jetzt und überprüfe anhand meiner inneren Kompassnadel regelmäßig ob ich noch auf dem richtigen Weg bin.

Das bringt zwar mehr Unsicherheit mit sich, aber meine Lebensqualität hat sich dadurch deutlich erhöht. Ich mache heute auch im Alltag viel mehr das, was mir Spaß macht. Die Dinge, die meiner Meinung nach erledigt werden müssen mache ich auf eine Art und Weise, die mir mehr entspricht. Meine Familie unterstützt mich dabei.

Bevor ich ein aufwendiges Zeitmanagement implementiere ist es doch viel effizienter, die Prioritäten zu sortieren und Überflüssiges einfach wegzulassen.

Loslassen ist sehr befreiend und ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Energie das freisetzen kann. Eine regelmäßige Inventur und Bewertung der persönlichen Prioritäten empfehle ich daher jedem, idealerweise an einem Wohlfühlort.

Ich vor dem Fjord in Island im Schneidersitz

Fotos: privat

Zum Loslassen habe ich zwei weitere Artikel geschrieben:

Meine Artikel über Island:

© Inge Schumacher