Reizbarkeit zeigt, dass jemand am Rand seiner Möglichkeiten ist. Wenn dein Gegenüber gereizt reagiert, ist er gerade auf irgendeine Weise überfordert.

Gereizte Menschen werden schnell ungeduldig, genervt oder wütend. Du kennst bestimmt auch ein Exemplar dieser Sorte. Ständige Reizbarkeit ist für das soziale Miteinander sehr herausfordernd.

Hochsensible haben oft mit Reizüberflutung zu kämpfen

Wir sind jeden Tag hunderttausenden von Reizen ausgesetzt. Das ist normal. Um von diesen Informationen nicht erschlagen zu  werden, haben wir Filter entwickelt, die nur Informationen durchlassen, die wichtig für uns sind.

Hochsensible Menschen haben einen durchlässigeren Filter und müssen mehr verarbeiten als normalsensible. Sie sind dadurch leichter überreizt. Ich begleite viele meiner hochsensiblen Klienten dabei, mit der Reizüberflutung umgehen zu lernen.

Woran erkennst du Reizbarkeit bei dir selbst?

Meist stellt deine Umwelt eher fest als du, dass du gereizt bist. Hier sind ein paar Indikatoren, die anzeigen, dass du überfordert sein könntest.

  • Du bist unzufrieden und reagierst negativ auf deine Umwelt.
  • Du wirst rasch ungeduldig bei unvorhersehbaren Schwierigkeiten.
  • Du neigst zu Wutausbrüchen.
  • Du stellst eine niedrige Stresstoleranz fest. Steigt der Druck minimal, fühlst du dich überfordert und das bist du dann auch!
  • Du hast Konzentrationsschwierigkeiten.
  • Du machst dir mehr Sorgen als sonst.
  • Du reagierst übermäßig stark auf kleine Ereignisse im Alltag.

Woher kommt diese Reizbarkeit?

Bist du dauerhaft reizbarer als sonst, rate ich dir, mögliche körperliche Ursachen vom Arzt abklären zu lassen.

Andauernde Reizbarkeit kann auf körperliche Ursachen hinweisen. Schwankungen im Hormonhaushalt zum Beispiel. Wir Frauen müssen mit einem sich ständig verändernden Hormonhaushalt klarkommen, der auch unsere psychische Befindlichkeit beeinflusst.

Eine andere Ursache könnte eine Schilddrüsenüberfunktion sein. Die Schilddrüse produziert dabei zu viele Hormone. Dazu kommen dann meist noch andere Symptome, wie Gewichtsverlust und schlechter Schlaf.

Andere Symptome, die abgeklärt werden sollten, sind zum Beispiel

  • Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen
  • Dauernde Müdigkeit ohne erkennbaren Grund
  • Wiederkehrende Schmerzen, zum Beispiel Kopfschmerzen
  • Häufige Magen-Darm-Beschwerden: Magenschmerzen und Verdauungsprobleme

Sind keine körperlichen Ursachen feststellbar, dann solltest du weiterforschen. Untersuche einmal, ob deine persönliche Situation für deine Reizbarkeit verantwortlich sein könnte.

Reizbarkeit kommt von innen

Obwohl die Reize, auf die wir reagieren, von außen kommen, hängt unsere Reaktion auf sie von unserer inneren Befindlichkeit ab.

Wenn du feststellst, dass du reizbarer bist als sonst, kannst du die Schuld dafür leider nicht auf andere schieben. Auch wenn du das gerne tun würdest. Denn du wirst nicht mehr geärgert als sonst, sondern du leidest an einem Zuviel.

Mögliche Gründe für Reizbarkeit könnten sein

  • Stress, sei es beruflich oder privat, kann deine Nerven strapazieren
  • Konflikte können starke emotionale Reaktionen hervorrufen
  • Umweltfaktoren wie Lärm, Hitze oder Kälte können Stress und Reizbarkeit verursachen
  • Krankheiten erhöhen die emotionale Belastung

Bist du überlastet?

Mit drei kleinen Kindern und meinem Perfektionsanspruch habe ich mich früher oft überfordert. Ich habe nicht realisiert, dass ich oft am Rande meiner Kräfte war. Dir Folge war, dass ich oft ausgerastet bin.

Reflexion hilft dir zu verstehen

  • Denk an das letzte Mal als du aus der Haut gefahren bist. Weißt du, warum es dazu gekommen ist?
  • Kennst du dich gut genug, um die Mechanismen, die dazu geführt haben, zu identifizieren?
  • Weißt du, was auf den Gefäßen steht, die ein kleiner Tropfen zum Überlaufen bringt?

Beispiel eigene Situation reflektieren

Eine Klientin verstand nicht, warum sie immer wieder explodierte und ihre Kinder anschrie. Wir untersuchten, welche Situationen dazu führten, dass ihr Kessel explodierte. Wir fanden keine einzige Ursache, sondern viele kleine Begebenheiten. Sie nahm diese nicht als Überforderung wahr, denn für sie waren das Lappalien: 

  • Die Kinder hatten einen Quengeltag.
  • Das Fahrrad hatte einen Platten.
  • Ihr Mann war beruflich lange unterwegs.
  • Bei der Arbeit gab es Zeitdruck.

Für sich genommen, waren diese Situationen gut zu bewältigen. Gemeinsam haben sie sich jedoch zu einer ausgewachsenen Herausforderung summiert. Wenn sie die Nacht davor dann noch nicht gut geschlafen hatte, dann wurde ihr alles zu viel.

Das bewusst wahrzunehmen und rechtzeitig zu merken, dass sie ihr System überlastete, war ein Prozess. Allein das Eingeständnis, dass Kleinigkeiten sich summieren und anstrengend sein dürfen, half ihr. Ihre Erwartung an sich selbst war nämlich, dass sie das alles locker wegstecken müsste.

Sie schrieb sich die Situationen auf, die besonders anstrengend für sie waren, und wir überlegten uns Handlungsalternativen und Unterstützungsmöglichkeiten.

3 Tipps zum Umgehen mit Reizbarkeit:

Reizbarkeit ist ein Gefühl. Gefühle sind Energie in Bewegung. Du bist also in der Lage, aus einem Gefühl herauszukommen. Dazu musst du dir bewusst werden, was gerade passiert und entscheiden, etwas zu verändern und dieses Gefühl loszulassen. Hier ein paar Tipps, wie du mit Reizbarkeit umgehen kannst.

1. Nutze deine Sinne: eine 2 Minuten Übung

Setze dich auf einen Stuhl oder draußen auf eine Bank und zähle auf, was du wahrnimmst. Probiere verschiedene Sinne durch. Zum Beispiel konzentrierst du dich zuerst auf deine Ohren. Danach ist die Nase dran.

Diese Übung eignet sich hervorragend, um ins Hier und Jetzt zu kommen und damit raus aus einem hartnäckigen Gefühl.

2. Atem-Übungen beruhigen

  • Leg dich flach hin und lege eine Hand auf deinen Bauch.
  • Atme tief durch die Nase ein.
  • Spüre, wie Luft deine Lungen bis in den Bauchbereich füllt.
  • Dann atme langsam durch Mund oder Nase aus.
  • Kontrolliere bei jedem Atemzug, wie sich die Bauchdecke leicht wölbt und senkt

Experimentiere mit Atem-Übungen  aus Apps

Die APP Breath Ball bietet zum Beispiel in der kostenlosen Version Atem-Übungen, die sich sehr gut zum Ausprobieren eignen.

Die APP Breathe (nur auf Englisch) unterstützt zusätzlich auch Meditationen.

3. Was tut dir gut?

Das ist eine Frage, deren Antwort in deinen Notfallkoffer gehört. Dann kannst du schnell reagieren, wenn du merkst, dass eine Situation aus dem Ruder läuft.

Es sind kleine Sachen, die einen großen Unterschied machen können:

  • die Tasse Tee, die du bewusst genießt
  • die Umarmung eines lieben Menschen
  • ein kurzer Spaziergang

Sei aufmerksam

Es lohnt sich auf jeden Fall, eigene auffällige Reaktionen zu bemerken. Wenn die Reaktion in keinem Verhältnis zur Ursache steht, dann steckt meist mehr dahinter, als es den Anschein hat.

Deine Selbstreflexion hilft dann, mögliche Ursachen deiner Reizbarkeit an die Oberfläche zu bringen und zu verstehen. So bist du in der Lage, gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Hilfe suchen ist erlaubt

Wenn du nicht weiterweißt, hole dir Hilfe. Das tue ich auch. Frau muss nicht alles allein hinbekommen. Wozu gibt es Expert*innen?

Ich bin Teil eines Netzwerks von Expert*innen. Schau mal in unseren Wholy med Guide.

An diesem Artikel habe ich in der Blognacht meiner Lieblingsblogflüsterin Anna Koschinski gearbeitet.

Bilder: Dall-E

© Inge Schumacher