Bist du eine gute Zuhörerin? Ich stelle immer wieder fest, wie schlecht wir einander zuhören. Warum ist das so?

Schlechtes Zuhören hat viele Gründe

Du bist ständig auf Zeitreise

Eine Ursache kannst du selbst sein. Wenn du zum Beispiel gerade auf Zeitreise bist: in der Vergangenheit oder in der Zukunft, bei deiner nächsten Aufgabe oder beim Streit mit deinem Mann heute Morgen.

Wenn dich dann ein Arbeitskollege zu einem für ihn wichtigen Problem befragt, dann bist du eine schlechte Zuhörerin. Du bist gerade nicht präsent. Körperlich ja, aber deine Aufmerksamkeit ist woanders. Dadurch bekommst du nur einen Bruchteil der Kommunikation mit. Wichtige Informationen zwischen den Zeilen kommen einfach nicht bei dir an. Sie werden als unwichtig eingestuft und rausgefiltert. Du bist ja innerlich mit viel Wichtigerem beschäftigt, das deine ganze Aufmerksamkeit beansprucht.

Unsicherheit beim Gegenüber

Wenn Menschen sich nicht selbst vertrauen, sind sie unsicher im Umgang mit anderen. Dann erwarten sie ständig Angriffe von außen. Sie meinen, sich ständig schützen zu müssen. Wenn du es mit so einem Zuhörer zu tun hast, kann viel Einfühlungsvermögen notwendig sein, um eine Botschaft wirklich rüberzubringen.

Du kämpfst dann gegen viele Auslöser, die Schutzmechanismen aktivieren. Sind diese erst einmal aktiv, gibt es keine Möglichkeit für wirkliches Zuhören oder ein echtes Gespräch mehr. Dein Gegenüber ist nur noch dabei, sich zu verteidigen, obwohl es objektiv gesehen dafür gar keinen Grund gibt. Du musst das Gespräch erst wieder in ruhigeres Fahrwasser lenken und für Entspannung sorgen.

Bewusst zuhören

Wenn meine Kinder mit einem Anliegen kommen und ich schreibe gerade, bin also mit meiner Aufmerksamkeit ganz woanders, dann bitte ich darum den Satz beenden zu dürfen. Dann klappe ich den Computer zu und schaue sie an. Das ist das Zeichen, dass ich ganz bei ihnen bin.

Klare Kommunikation erleichtert Zuhören

Eine Freundin von mir hat mit ihrem Sohn ein Wort vereinbart, bei dem der jeweils andere alles stehen und liegen lässt. Wenn dieses Wort fällt, ist klar: Das ist ganz wichtig. Eine gute Idee. Sie erleichtert die Kommunikation, wenn es wirklich darauf ankommt.

Zuhören in der Beziehung

Mit meinem Mann habe ich oft ein Problem mit dem Zuhören. Meist handelt es ich um Organisatorisches, das ich gern schnell zwischen Tür und Angel besprechen möchte. Er ist dann aber oft gerade in seiner Welt unterwegs und nicht aufnahmefähig.

Das führt dazu, dass ich ihm vorwerfe: Du hörst nicht zu. Außerdem frage ich öfter nach, ob er diesen oder jenen Termin drauf hat oder ob er noch weiß, dass er versprochen hat einkaufen zu gehen. Denn leider gehen durch diese Art der Kommunikation bei uns viele Dinge unter.

Ich versuche mittlerweile beim gemeinsamen Frühstück, wenn ich seine Aufmerksamkeit habe, Organisatorisches zu besprechen. Dann ist die Chance höher, dass die Information ankommt und der wechselseitige Frust niedriger.

Informationen im Vorbeigehen kommen bei mir deutlich besser an als bei ihm. Vielleicht können wir Frauen das einfach besser oder das ist meiner Hochsensibilität geschuldet. Leider gehe ich immer noch davon aus, dass das bei ihm genauso sein muss, wie bei mir. Was natürlich nicht der Fall ist.

Zuhören funktioniert am besten im Hier und Jetzt


Wenn du übst präsenter zu sein, schaffst du nicht nur die Voraussetzung dafür, dein Leben so zu erschaffen, wie du das möchtest, du steigerst auch die Qualität deiner sozialen Interaktionen.

Präsent sein beutet hier, dass du ganz bei dir bist und deine Aufmerksamkeit auf dein Gegenüber richtest. Das kostet Energie und will geübt werden. Nicht umsonst nennt sich das auch aktives Zuhören.

Das bedeutet, dass du im Kopf nicht schon eine Antwort formulierst beim ersten Satz, den dein Gegenüber äußert. Denn dann bekommst du die nächsten Sätze gar nicht mehr richtig mit.

Leider scheint das unsere Standardkommunikation zu sein. Wirkliches Zuhören gibt es nur bei den ersten paar Worten, dann folgt eine Erwiderung, die deutlich macht, dass der andere nicht richtig zugehört hat. So reden wir aneinander vorbei und verursachen Missverständnisse.

Das ist schade und da ich das nur bei mir ändern kann, habe ich eine Zuhör-Offensive gestartet. Das bedeutet,

  • dass ich bewusst versuche mein Gegenüber ausreden zu lassen.
  • dass ich eine Gesprächspause aushalte, denn ich lege mir keine Antwort zurecht während mein Gegenüber spricht.
  • Ich sage auch mal Stopp, wenn ich zugetextet werde.

Meine Erfahrung mit dem aktiven Zuhören

  • Ich muss mir oft auf die Zunge beißen, weil ich es so gewohnt bin, sofort eine Erwiderung parat zu haben.
  • Es fühlt sich merkwürdig und ungewohnt an.
  • Ich rede selbst weniger, wenn ich aktiv zuhöre.

Wenn du aktiv zuhörst, wird dir bewusster, mit welchen Menschen du nicht in wirklichen Kontakt gehen kannst, auch wenn du dich noch so bemühst. Seien sie zu beschäftigt mit sich selbst oder gerade ganz woanders.

Zuhören im sozialem Kontext

Im Privaten


Ich stelle fest, dass ich privat keine Lust mehr habe, mich auf einseitige Kommunikation einzulassen, bei der mein Gegenüber ständig das Gleiche abspult, wie zum Beispiel seine Opferrolle herauszuholen.

So ist der Kreis von Menschen, mit denen ich in meiner Freizeit kommuniziere über die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, beschränkt. Die tiefe Kommunikation, die ich so schätze, bringt wirklichen Austausch.

Dabei kommt es interessanterweise nicht auf den akademischen Hintergrund meines Gegenübers an. Präsent oder nicht präsent sein, das ist wichtig bei gegenseitig wertschätzender Kommunikation. Ein Schulabschluss sagt nichts darüber aus, ob mit einem Menschen ein wertvoller Austausch auf Augenhöhe möglich ist.

Als Führungskraft

Im beruflichen Kontext habe ich eine andere Intention für mein Zuhören als privat. Ich möchte meine Kollegen verstehen, ihre Hintergründe mitbekommen und sie unterstützen. Mir ist ein möglichst reibungsloser organisatorischer Ablauf wichtig. Hier erwarte ich keinen tiefen Austausch. Auch wenn ich sehr präsent bin, weil mich wirklich interessiert, was beim Anderen los ist.

Wenn dieser Austausch doch passiert, ist das wunderbar.

In der Praxis

Mit meinen Klienten ist das Zuhören mein Handwerkszeug. So schaffe ich ein sicheres Umfeld. Meine Klienten nehmen mich mit in ihre Realität. Ich stehe dann also in ihren Schuhen und bekomme ihre Emotionen mit. Dazu brauchen wir gegenseitiges Vertrauen. Das bauen wir durch das gemeinsame Gespräch auf. Dann passiert oft ganz viel.

Letztens bekam ich die Rückmeldung von einem Klienten, den ich schon länger begleite. „Wir scheinen uns nur zu unterhalten. Ich kann aber fühlen, dass unterschwellig ganz viel passiert.“ Seither habe ich besonders darauf geachtet: Es ist wirklich wie bei einem Eisberg. Das Gespräch ist dabei nur der Teil, der aus dem Wasser herausragt. Die energetische Arbeit und der Austausch gehen jedoch deutlich tiefer. So tief, dass es mir schwerfällt das in Worte zu fassen.

Lesen kann wie zuhören sein

Ein befreundeter Autor, dessen Buch ich rezensiert habe, und der von mir detailliertes Feedback bekommen hat, meinte, ich würde sein Buch so lesen, wie ich zuhöre: mit allen Sinnen und auf allen Ebenen. Das fand ich ein spannendes Bild.

Aktives Zuhören

Du kannst bestimmen, wie du zuhören möchtest. Zuhören während du auf Zeitreise bist, ist ein Freibrief für Missverständnisse und Enttäuschungen. Nutze eine Technik zum Präsent werden, bevor du in wichtigen sozialen Austausch gehst. Ein bewusster Atemzug reicht schon aus und du bist wieder voll da. So bekommst du viel mehr mit.

Zuhören als soziales Projekt

Du liebst es, zuzuhören? Hier kannst du dich engagieren:

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Bilder: Ki, Pixabay

© Inge Schumacher