Osteopathie: Was kann sie, was sind ihre Stärken? Meine Osteopathieexpertin Jeanette Gauster beantwortet meine Fragen und gibt Einblicke in ihre Arbeit.

Diesen Artikel widme ich der von mir sehr geschätzten Therapie der Osteopathie. Ich bin Heilpraktikerin und habe mich auf geistiges Heilen, Fußreflexzonenmassage und Kinesio-Taping spezialisiert. Da ich selbst keine Expertin für Osteopathie bin, habe ich mir eine ins Boot geholt. Jeanette Gauster ist Osteopathin und im Vorstand der Osteopathen in Hamburg. Sie hat mir viele Fragen rund um diese Therapieform beantwortet und passt auf, dass ich hier sachlich richtig berichte. Das Interview mit ihr ist unter Punkt C. zu lesen.

1. Geschichte der Osteopathie

Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still beschäftigte sich intensiv mit dem Bewegungsapparat, also mit Knochen, Gelenken, Muskeln und Sehnen. Er war der Meinung, dass nur eine gute Beweglichkeit eine freie Versorgung von allen Teilen des Körpers gewährleisten kann.

Aus der Not heraus entwickelte er in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Osteopathie. Er lebte im amerikanischen Grenzland und erlebte täglich wie Menschen an Infektionen, Krankheiten oder im Kindbett starben: Drei seiner Kinder starben an Meningitis, eines an einer Lungenentzündung und seine Frau verlor er nach Geburtskomplikationen. Die damals existierenden Medikamente, die schwerste Nebenwirkungen hatten, lehnte er ab. Er beherrschte das manuelle Mobilisieren und Richten von Gelenken und entwickelte dies weiter.

Sein Ziel war es die gestörte Mobilität von Knochen, Gelenken, Faszien, Organen, Gefäßen und Nervenverläufen wieder herzustellen und dem Körpers dadurch die Selbstheilung zu erleichtern. Er stellte seine Form der Medizin, die Osteopathie, am 22. Juni 1874 zum ersten Mal öffentlich vor. Er gründete eine Schule und seither verbreitete sich die Osteopathie und entwickelte sich kontinuierlich weiter.

Praktiziert wird die Osteopathie mittlerweile in fast allen europäischen Ländern. In Deutschland wurde sie erst in den 1980´ern bekannter.

 2. Was ist Osteopathie?

Das Wort Osteopathie setzt sich aus den beiden griechischen Begriffen osteon (Knochen) und pathos (Leiden, Leidenschaft) zusammen. Osteopathie ist eine ganzheitliche Methode, die den Menschen als Einheit von Körper, Seele und Geist betrachtet.

Die Osteopathie kümmert sich sowohl um die Beweglichkeit des gesamten Körpers als auch um die Eigenbewegungen einzelner Körperteile, Organe und Gewebe.

In unserem Körper sind alle Teile über die Faszien, das sind dünne Bindegewebshüllen, miteinander verbunden. Daher können Störungen in einem Teil des Körpers überall Auswirkungen haben. Schmerzen entstehen aufgrund von Funktionsstörungen. Wegen dieser Zusammenhänge behandelt ein Osteopath immer den gesamten Patienten.

Osteopathie konzentriert sich nicht nur auf den Bewegungsapparat sondern wirkt weit darüber hinaus. Sie ist daher eine Behandlungsmöglichkeit für sehr viele Beschwerden und ist wegen ihrer einfühlsamen und schmerzfreien Art besonders gut für Kinder und Säuglinge geeignet.

Meine eigenen Erfahrungen mit Osteopathie

Ich habe Osteopathie während der 2. Schwangerschaft durch meine Hebamme kennen gelernt. Meine erste Tochter ist in Beckenendlage geboren und die Hebamme empfahl mir Osteopathie, um eine 2. Beckenendlagengeburt eventuell zu vermeiden. Während der zweiten Schwangerschaft war ich also dreimal bei einem Osteopathen. Meine 2. Tochter lag zwar trotzdem in Beckenendlage, ich hatte aber während der Schwangerschaft überhaupt keine Rückenschmerzen, was sehr angenehm war. Inwieweit mir die Osteopathie bei der unproblematischen ambulanten Geburt geholfen hat, kann ich nicht beurteilen.

Einige Jahre später sagte meine Yogalehrerin zu mir: „Inge, du bist schief.“ Ich schaute in den Spiegel und sie hatte Recht: Eine Schulter stand deutlich tiefer als die andere. Daraufhin holte ich mir nach längerer Zeit wieder einen Osteopathietermin. Die Osteopathin meinte zu mir: „Wie schön, dass Sie kommen ohne Schmerzen zu haben.“ Nach drei Behandlungen stand ich wieder gerade. Jetzt beobachte ich mich selber und alle ein bis zwei Jahre hole ich mir osteopathische Hilfe.

Während einer Osteopathiebehandlung merke ich genau, wie und wo mein Körper dabei unterstützt wird, Energien loszulassen. Ich unterstütze diesen Prozess des Loslassens aktiv, was meine Osteopathin auch bemerkt.

Auch mit meinen Kindern gehe ich ab und zur Osteopathie. Als Baby hatte mein Sohn einen schiefen Kopf und Probleme beim Trinken. Hier hat die Osteopathie auch geholfen.

Aus meinem Freundes,- Bekannten- und Klientenkreis weiß ich, dass Osteopathie sowohl bei Kindern mit körperlichen Auffälligkeiten wie Schwierigkeiten beim Kopf drehen, KiSS Syndrom, Verdauungsproblemen, Koliken, X-Beinen, und wiederkehrenden Infekte unterstützen kann als auch bei Entwicklungsverzögerungen, extremem Verhalten außerhalb der normalen Entwicklungsstufe, z.B. bei ständigen Wutanfällen oder extremer Introvertiertheit, Sprachproblemen und Problemen beim Schreiben lernen positive Resultate gebracht hat.

Im Gespräch mit Jeanette konnte ich viel Neues über Osteopathie dazu lernen. Zum Beispiel haben die fünf verschiedenen Osteopathen, Männer und Frauen, die ich bisher erlebt habe, eher sanft gearbeitet. Jeanette erklärte mir, dass es auch viele Osteopathen gibt, die mehr chiropraktisch arbeiten, also den Körper des Patienten eindrücklicher bewegen. Intuitiv habe ich mir wohl die Behandlungsweise gesucht, die am besten zu mir passt.

3. Fragen an die Osteopathin Jeanette Gauster

1. Wie bist Du darauf gekommen, Osteopathie zu lernen und wie gestaltete sich Dein Ausbildungsweg?

Ich hatte als Kind eine starke Skoliose, das ist eine Wirbelsäulenverkrümmung und habe deswegen jahrelang Krankengymnastik gemacht. Als junge Erwachsene bin ich schließlich wegen der ständigen Schmerzen operiert worden. Schon früh habe ich mich deswegen für die Arbeit als Krankengymnastin interessiert und so machte ich nach der Schule eine 3 jährige Ausbildung zur Physiotherapeutin. Während dieser Ausbildung lernte ich die Osteopathie kennen und lieben. Ich wusste, das möchte ich lernen.

Die berufsbegleitende Ausbildung bei einer bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Osteopathie (BAO) anerkannten Schule dauerte 5 Jahre. Anschließend habe ich zwei Jahre lang Kinderosteopathie gelernt. Auch heute noch bilde ich mich ständig weiter.

Direkt im Anschluss an die Osteopathieausbildung habe ich die Heilpraktikerprüfung gemacht damit ich auch Diagnosen stellen darf.

2. Bei welchen Beschwerden würdest Du Osteopathie empfehlen?

Osteopathie kann bei vielen chronischen Beschwerden helfen, besonders dann, wenn die Schulmedizin nicht weiter weiß. Wenn Körper, Geist und Seele aus irgendeinem Grund nicht eins sind, kann Osteopathie unterstützen. Jeglicher psychischer Stress kann sich im Körper zeigen; auch Depressionen und seelische Traumata.

3. Kommen Deine Patienten von alleine oder werden sie von Ärzten oder Heilpraktikern geschickt?

Viele meiner Patienten kommen von alleine oder auf Empfehlung aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis. Aus dem medizinischen Bereich bekomme ich die meisten Empfehlungen von Hebammen, Logopäden und Ergotherapeuten.

4. Wie ist Dein idealer Patient?

Mein idealer Patient lässt sich auf die Behandlung ein. Meine Art der Therapie ist wenig invasiv, das heißt man merkt an der Oberfläche nicht viel. Dass sich im Körper dabei trotzdem viel tun kann ist für viele Menschen ungewohnt und daher schwer zu verstehen.

Auch deswegen arbeite ich gerne mit Kindern. Sie hinterfragen nicht viel, lassen sich auf die Behandlung ein und fühlen einfach.

5. Sollten Kinder und Säuglinge schon früh einem Osteopathen vorgestellt werden?

Osteopathie kann bei Kindern wunderbar die Selbstheilungskräfte unterstützen. Das bedeutet aber nicht, dass man sofort nach der Geburt zum Osteopathen rennen muss. Im Gegenteil, Kinder haben von sich aus ausgeprägte Selbstheilungskräfte. Nach meiner Erfahrung wissen Eltern, wenn etwas nicht mit ihrem Kind stimmt. Sie sollten sich da ruhig auf ihr Gefühl verlassen und sich je nach Bedarf Hilfe holen.

6. Wie sieht eine Osteopathiebehandlung bei Dir aus?

Am Anfang steht eine ausführliche Anamnese. Mich interessiert neben den aktuellen Beschwerden auch die körperliche Historie und die Lebenssituation meiner Patienten.

Ich arbeite während der Behandlung mit den Händen am Patienten und suche nach Läsionen, das sind Stellen wo etwas nicht im Fluss, also verspannt oder blockiert ist. Dort unterstütze ich den Körper.

Ich gebe in der Behandlung kleine Anstöße und der Körper setzt diese dann um. Er geht dabei so weit wie er in diesem Moment gehen kann. Nichts wird erzwungen, denn die Selbstheilungskräfte überfordern einen nicht.

7. Was hat Osteopathie mit Selbstheilungskräften zu tun?

Der Körper kann alleine heilen und tut das auch ständig. Erst wenn eine Verletzung oder Überlastung zu groß ist oder es zu viel auf einmal wird, kann er sich nicht mehr selbst heilen. Er kompensiert dann um weiter funktionieren zu können. Das hat dann Folgen für andere Teile des Körpers und irgendwann spüren wir Schmerzen mit denen uns der Körper darauf aufmerksam macht, dass etwas nicht stimmt.

Eine Kompensation kann folgendermaßen aussehen: Wir knicken uns den Fuß um und das führt zu einer leichten Fehlstellung der Fußknochen. Danach reagiert das Knie darauf, dann sind die Hüfte, das Becken und die Wirbelsäule dran. Wochen oder Monate später haben wir dann vielleicht Nackenschmerzen.

Manche Menschen können ihr Leben lang wunderbar kompensieren und stellen erst mit über 60 Jahren fest, dass es plötzlich jede Menge Probleme gibt, wo doch vorher immer alles in Ordnung war.

8. Osteopathie wirkt auch nach der Behandlung: Woher kommt das?

Ich erkläre das gerne an einem Beispiel: Unser Keller ist voll und das Regal ganz hinten an der Wand ist zusammengebrochen. Wir entschließen uns gründlich aufzuräumen. Da wir nicht an das kaputte Regal herankommen, fangen wir mit dem Aufräumen an der Tür an.

Als Osteopathin fange ich sozusagen an der Tür an zu behandeln. Der Körper arbeitet aber, im Gegensatz zum Keller, nach der Behandlung alleine weiter. Das kann anstrengend sein und viele Patienten sind danach müde. Wichtig ist deswegen, nach einer Behandlung ausreichend Wasser zu trinken, da der Körper Schadstoffe dann leichter abtransportieren kann. In den ersten zwei bis drei Wochen nach einer Behandlung, manchmal auch länger, arbeitet der Körper noch weiter und findet so sein neues Gleichgewicht.

9. Bezahlen die Krankenkassen Deine Behandlungen?

Die Bezeichnung Osteopath ist nicht gesetzlich geschützt. Viele gesetzliche Kassen übernehmen seit 2012 dann einen Teil der Kosten, wenn der Osteopath eine 5-jährige Ausbildung in einer von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Osteopathie (BAO) anerkannten Schule vorweist.

Ob private Kassen die Behandlung bezahlen hängt vom individuellen Tarif ab. Sind Heilpraktiker-Leistungen eingeschlossen, ist der Abschluss als Heilpraktiker für die Erstattung entscheidend.

10. Worin liegen Deine Stärken?

Was mir bei meiner Arbeit sehr hilft ist mein feines Gespür. Ich spüre gut, wo es gerade hakt, das erleichtert mir die Arbeit. Ich mag Menschen und lasse mich unvoreingenommen auf sie ein. Ich bin ein bodenständiger, direkter und humorvoller Mensch.

11. Was schätzt Du an Deinem Beruf?

Ich freue mich, wenn ich dazu beitrage, dass ein Körper sich wieder selbst helfen kann und ich schätze die Vielseitigkeit meiner Arbeit.

Die Therapie ist keine Wellnessbehandlung und man sollte keine Wunder erwarten. In schwierigen Fällen sehe ich es schon als Erfolg, Linderung zu erreichen. Z.B. bei einer Patientin mit wiederkehrenden Rückenschmerzen hat sich die Dauer ihrer Schmerzen von 3 Wochen auf 3 Tage reduziert.

Vielen Dank für Deine Antworten Jeanette!

4. Osteopathie als Therapiemöglichkeit

Ich hoffe, Jeanettes Antworten haben geholfen, Osteopathie greifbarer zu machen. Es wäre schön, wenn mehr Menschen diese Therapieform besser kennenlernen. Meiner Erfahrung nach ist eine Osteopathiebehandlung eine gute Investition auch wenn die Krankenkasse sie nicht oder nur zum Teil bezahlt. Unsere langfristige Gesundheit sollte uns das wert sein.

Die Verantwortung für unsere Gesundheit liegt ganz alleine bei uns

Nicht jede Therapie passt für jeden und nicht jeder Therapeut ist uns sympathisch und das ist gut so. Manchmal hilft nur, etwas auszuprobieren von dem man das Gefühl hat, es könnte helfen. So habe ich vor 13 Jahren auf der Suche nach Heilung für meine asthmakranke Tochter das geistige Heilen entdeckt.

Für mich persönlich ist Osteopathie eine wertvolle Unterstützung. Auch in meinem Körper addieren sich im Laufe der Zeit kleine Verspannungen auf. Als Energiearbeiterin bin ich dafür wahrscheinlich sensibel und merke, wenn mein Körper mal wieder Unterstützung beim Loslassen braucht. Ich erspare mir damit sicher viele Beschwerden und bleibe länger gesund.

Bilder: Pixabay und Privat

© Inge Schumacher